Ein Interview mit Dan Armon

(Interview und Übersetzung: Andreas Kreymeier)


Andreas Kreymeier: Also, ich fange mal mit der Frage an: Wie geschieht die Arbeit, um ein Lehrer und eine Lehrerin der Alexander-Technik zu werden. Und wie lehrst Du?

Dan Armon: Das Konzept. Ja. Ich lehre nur das was ich selber gelernt habe. Dass Menschen üblicherweise in Gewohnheitsmustern arbeiten und dadurch aufhören in Kontakt mit dem zu sein, was der Fluß des Lebens genannt werden kann. Im Innern werden sie immer weniger beweglich, und zunehmend eignen sie sich einen automatischen Gebrauch von sich selber an. Wenn sie anfangen mit der Alexander-Technik zu arbeiten, dann fangen sie an hinter diesen Mustern zu arbeiten und finden mehr und mehr etwas was originell ist und spontaner, hinsichtlich der Art wie sie sich selbst gebrauchen. Sie entdecken in sich neue Möglichkeiten ... im Augenblick definiere ich die Technik so ... natürlich habe ich meinen eigenen Grund warum ich mit Menschen arbeite und diese Technik lehre. Während ich in Kontakt mit dem anderen bin, zeige ich diesen Weg zu mehr Eigenem auf. Bei der Arbeit spüre ich auch selber, dass sie mir gut tut und ich mehr und mehr Mensch werde. Ich lerne in Kontakt mit anderen zu kommen. Das automatische Tun verhindert auf vielen Gebieten, dass man Mensch ist, so als ob man ein Schatten wird mit sehr beschränkter Möglichkeit dem anderen zu begegnen. In dem Augenblick wo du Stop zu all diesen beengenden Dingen sagst, arbeitest du daran einen größeren Raum zu schaffen, in dem du den anderen erkennst. Der andere wird voller und erhält mehr Farbe. Wenn du gewohnheitsmäßig mit der Welt kommunizierst, dann nimmst du Menschen immer öfter nur als Typen wahr und nicht als reiche menschliche Wesen, denn du projizierst dauernd auf sie nur deine eigene automatische Sichtweise. Wenn du mit einem Schüler arbeitest, fängst du an Nein zu deinen automatischen Reaktionen zu sagen. Du öffnest die Tür, um den anderen in dessen Reichtum und Fülle des Lebens zu erkennen. Nicht nur als jemanden, der etwas von Dir will, und von dem du etwas willst. Dies passiert also während du arbeitest. Ja. Du arbeitest mit einer bestimmten Art von Technik, aber, im selben Augenblick beginnt auch das Leben. Du entdeckst den anderen als Lebewesen, und dies hilft Dir, auch Dich selber als reich und lebendig zu entdecken.

A: Was sagst du zu der Zeit von drei Jahren, bis ein Student sich Lehrer nennen darf? Reicht das aus oder ist das zu lang?

D: Alexander hat diesen Rahmen geschaffen und in London und Israel und vielen anderen Orten hat man dies beibehalten und es bewährte sich. Ich weiß nicht, ob es der einzige Weg zur Erlernung der Technik ist, aber die drei Jahre haben sich bewährt, um sie zu lernen. Die Studenten haben aber für sich selber weiterzumachen. Mir selber gaben diese drei Jahre eine gute Basis, doch nicht wirkliches Verstehen. Verstehen kam erst später. Eine gute Basis ist dann gegeben, wenn du eine gute Schule hast, mit guter Arbeit. Das bedeutet eine gute Beziehung zwischen den Studenten und viel Feedback, wo Studenten untereinander kritisch sind. So ist der Anfang des Erlernens dieser Arbeit gefüllt mit viel gutem Kontakt. Wir sprachen heute in der Schule darüber: später bist du öfters alleine mit dir selber, dann ist all die Energie, die du in den drei Jahren erhalten hast, auch Energie für deinen Weg später. Dies alles ähnelt dem Baby, welches Milch saugt. In der Schulzeit erhältst du Energie für deine ganze spätere Zeit als Lehrer der Alexander-Technik. Also, wenn die Schule lebendig ist, mit einer guten Atmosphäre des Lernens, dann beeinflusst dies den ganzen späteren Weg. Die Schule ist ein Ort des eigenen Wachsens. Vieles wird man erst später verstehen, aber der Student bekommt von Anfang an Kraft mit, um für sich selber die Arbeit fortzusetzen. Es gibt in der Arbeit ein Auf und Ab, und oft sind Menschen allein; und hier müssen sie weiter machen, und sich selbst unterrichten. Es hängt viel von diesen drei Jahren ab, ob man für sich selber weitermachen kann.

A: Die Studenten lernen ...

D: Natürlich lernen sie die Technik. Also sie lernen Stop zu sagen, Richtungen zu geben usw., aber all diese warme Atmosphäre um sie herum, auf die kommt es an, diese gibt ihnen den Mut und das Vertrauen hier weiter zu machen, und das für die ganze spätere Zeit nach der Schule, ob sie es wissen oder nicht. Oft merken sie erst sehr viel später, was sie vom Lehrer erhalten haben. Die Verantwortung des Lehrers ist es, diese unterstützende Atmosphäre zu schaffen, nicht nur einen materiellen Beruf zu lehren. Das reicht nicht aus. Um die Technik zu verstehen sind drei Jahre gerade einmal der Anfang.

A: Um eine Schule zu leiten ... ist natürlich eine ganz individuelle Sache, aber ...

D: Ja, der Einzelne hat zu entscheiden, ob er es machen kann. Und dann hat er die Unterstützung dafür zu finden. Der Lehrer und die Lehrerin haben genau zu untersuchen, ob sie wirklich dafür bereit sind. Es gilt nicht nur, irgendeine formale Erfahrung zu haben. Wenn einer darüber nachdenkt, muss er ganz genau hinsehen, ob er reif dafür ist, ob er diese Entwicklung hat und ob er auch eine wirkliche Unterstützung von seinem eigenen Lehrer hat. Es ist nicht nur, dass man eine materielle Sache lehrt, es gilt eine Gesamtatmosphäre zu schaffen, um Raum zum wirklichen Lernen zu schaffen, um einen Raum für eine Gruppe zu erschaffen.

A: Wie lange hast Du bisher als Schulleiter gearbeitet?

D: Fast zehn Jahre, wenn ich alles zusammen zähle.

A: Wo hast Du zum ersten Mal Stunden genommen?

D: Mein erster Privatlehrer war zweimal die Woche Jehuda Kuperman. Dann hatte ich für einige Monate Unterricht bei Shmuel Nelken und er fragte mich, ob ich in die Klasse kommen wolle. Nach einem Jahr Privatunterricht ging ich zur Schule.

A: Was macht einen guten Lehrer aus?

D: Jemand, der sehr ernsthaft mit ganzem Herzen arbeitet, mit ganzem Herzen bei der Sache ist, das ist es, was einen Lehrer letztlich ausmacht. Dadurch entwickelt er auch die Technik weiter. Wenn er wirklich an sich arbeitet. Denn die Richtung, das Fließen der Energien und all dies, das alles ist in uns. Es ist nicht so, dass wir eine Art besonderer Kunst lernen, welche außerhalb von uns ist. Es ist alles innen drin. Nur, wir müssen ernsthaft hinschauen und ernsthaft lernen und dann tritt sie hervor. Wenn einer sich gegenüber diese Haltung hat - sagen wir, wie Shmuel - dann kann er ein sehr guter Lehrer werden. In seiner eigenen Weise natürlich. Es gibt verschiedenste Lehrer.

A: Was machst Du, dass dies für den Schüler 'herauskommt', dass die 'Primärkontrolle' anfängt wirkungsvoller arbeiten zu können. Du sagst, dass alles in Dir ist, Du also keine fremde Kunst lernen brauchst. Es ist etwas in Dir, aber es ist noch sehr verdeckt.

D: Ja, Du musst an Dir immer wieder arbeiten, damit sie, die Primärkontrolle, dir mehr und mehr zur Verfügung stehen kann. Wenn Du die Gewohnheitsmuster, oder dieses automatische Tun in uns ansprichst ... das ist wie ein Vorhang, und die freie Möglichkeit ist hinter diesem Vorhang. Und du musst immer wieder aufs neue diesen Vorhang öffnen, Nein zu den Angewohnheiten sagen und dir dann Richtung geben, und dann treten diese fließenden Dinge hervor. Aber der Vorhang wird sich wieder schließen und es geht darum, dass er sich immer wieder öffnet. Du solltest nicht faul sein.

Der Vorhang ist ein Teil von uns. Diese Macht der Angewohnheiten ist auch etwas positives. Ich will nicht, dass sie so einfach verschwinden. Sie sind Teil meines Lebens. Es gibt keinen Grund sich ihrer völlig zu entledigen. Wir haben zu lernen, mit ihnen zu leben und aufzupassen, dass sie nicht destruktiv sind. Alles was wir lernen, daraus machen wir eine Angewohnheit. Es erreicht unser Erinnerungsvermögen und fängt an von selbst zu arbeiten. Dies ist der Prozess des Wachsens. Ja, und es hat Vorteile und Nachteile. Der Vorteil ist, dass wir nicht dauernd mit allem, was wir gelernt haben, umgehen müssen; wir können uns an diese Dinge, die ja in uns sind, erinnern und sie uns erarbeiten, um sie für uns nützlich zu machen. Das ist das Positive. Der Nachteil ist, mit der Zeit können wir sehr unbeweglich werden. Wenn ich z.B. die Gewohnheit habe in Berlin zu wohnen, und ich sehr an dieser Gewohnheit hänge, desto schwieriger wird es für mich z.B. in Bombay zu wohnen. So etwas findest du in allen Aspekten des Lebens. Die Frage ist: Wie werde ich beweglicher, um zu tun was notwendig ist. Und hier setze ich mit der Technik an. Ich arbeite an mir selber. Die ganze Alexander-Technik ist hierauf aufgebaut: Das Erkennen der Macht der Gewohnheiten in einem selber, und sich hierzu sagen: Nein ... und sich Richtung geben. Und je mehr du in der Technik entwickelt bist, desto tiefer wird das Erkennen der Macht der Gewohnheiten. Du lernst was für ein wichtiger Faktor dies im Leben ist.


Dan Armon leitet die Schule für F.-M.-Alexander-Technik Berlin, Andreas Kreymeier ist Lehrer der Alexander-Technik in Berlin-Kreuzberg. Dieses Interview finden Sie auf der Website der Schule für Alexander-Technik Berlin.


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